Sie sind selbst von Genitalverstümmelung betroffen und brauchen Hilfe?
Sie haben Kontakt zu einer Betroffenen oder sind sich nicht sicher?

In unserer Beratungsstelle kann unkompliziert ein Termin per Telefon, Mail oder über das Kontaktformular vereinbart werden. Aber auch über unsere Mobilnummer sind wir für fremdsprachige Anfragen erreichbar. Gern sorgen wir für Sprachmittlung beim Beratungstermin, wenn die Deutschkenntnisse noch nicht für ein Gespräch ausreichen.

Wir können bei gesundheitlichen Problemen, asylrechtlichen Fragen in Zusammenhang mit dieser Gewaltform sowie ärztlichen Gutachten weiterhelfen und bieten psychosoziale Betreuung an.
Da viele von Genitalverstümmelung betroffene Frauen keinen Zugang zu sexueller und reproduktiver Bildung hatten, bieten wir Workshops zu Frauengesundheit an. Termine dazu finden Sie hier.

Nebenstehend finden Sie unsere mehrsprachigen Flyer, Bilder zum Teilen (Sharepics) in Messenger und sozialen Medien sowie den Flyer des SAIDA Kompetenzzentrums – für Sie zum Download und Weiterleiten.

Genitalverstümmelung Hilfe

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Genitalverstümmelung

Unter dem Begriff weibliche Genitalverstümmelung werden alle Praktiken zusammengefasst, bei denen aus nichtmedizinischen Gründen die äußeren Geschlechtsorgane vollständig oder teilweise herausgeschnitten oder verletzt werden. Nach dieser sachlichen Definition der Weltgesundheitsorganisation widmen wir uns den Hintergründen dieser schweren Menschenrechtsverletzung:

Die Praktik variiert je nach Region, ethnischer Zugehörigkeit und lokalen Gewohnheiten. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) unterscheidet diese Haupttypen:

Typ 1 – Klitoridektomie
Den Mädchen wird der sichtbare Teil der Klitoris teilweise oder vollständig herausgeschnitten.

Typ 2 – Exzision
Zusätzlich zur Entfernung der Klitorisspitze werden die inneren Labien und gelegentlich die äußeren Labien ganz oder teilweise entfernt. Etwa 80 Prozent der Opfer sind von Typ 1 und 2 betroffen.

Typ 3 – Infibulation
Bei etwa 15 Prozent der Mädchen werden Klitoris sowie innere und äußere Labien herausgeschnitten und die Vagina bis auf eine minimale Öffnung für den langsamen Austritt von Urin und Menstruationsblut verschlossen. Für den ersten Geschlechtsverkehr muss die Narbe meist aufgeschnitten werden (Defibulation). Nach Geburten wird die Wunde häufig erneut eng zugenäht (Refibulation).

Typ 4 – Variationen
Hierunter fallen etwa Verbrennen, Auskratzen, Einstechen oder Verätzen von Klitoris, Vulva und Vagina.

Der Begriff Genitalverstümmelung stammt von der englischen Bezeichnung female genital mutilation, abgekürzt FGM. Der Begriff wurde 1990 vom Inter-African Committee on Harmful Traditional Practices (IAC) beschlossen. Das IAC ist das größte Netzwerk Betroffener. Auch die Weltgesundheitsorganisation (WHO) und andere Organisationen der Vereinten Nationen haben FGM in ihren offiziellen Sprachgebrauch übernommen. Häufig wird dennoch von „Mädchenbeschneidung“ oder „weiblicher Genitalbeschneidung“ gesprochen. Die Mitglieder des IAC mit Initiativen in 29 afrikanischen Ländern, Europa und Australien lehnen solche Begriffe als verharmlosend ab. SAIDA unterstützt die Forderung des IAC an die Weltöffentlichkeit.

Durch Genitalverstümmelung soll die Sexualität von Mädchen kontrolliert werden. In den ausübenden Gesellschaften wird Mädchen meist kein Selbstbestimmungsrecht zugesprochen, sie werden als Eigentum betrachtet und systematisch diskriminiert. Je nach Region, Ethnie oder sozialem Milieu wird die Praktik unterschiedlich gerechtfertigt. Als Gründe werden dann häufig Tradition und Religion genannt sowie ästhetische Vorstellungen und medizinische Mythen.

Die Verfechter der Praktik bauen immensen sozialen Druck auf. Versucht eine Familie Töchter unversehrt aufwachsen zu lassen, werden die Mädchen als „unrein“ und Prostituierte beschimpft. Man nimmt kein Essen von ihnen an und sie gelten als nicht heiratsfähig. Die gesamte Familienehre wird so an das sexuelle Verhalten der Töchter geknüpft.

Genitalverstümmelung ist in afrikanischen, arabischen und asiatischen Ländern verbreitet. Durch Migration ist die Praktik mittlerweile ein weltweites Gewaltphänomen. Das End FGM European Network geht davon aus, dass auch in der Europäischen Union 600.000 Betroffene leben und 180.000 Mädchen gefährdet sind.

In manchen Ländern ist nahezu die gesamte weibliche Bevölkerung betroffen, wie etwa in Ägypten (87 %) oder Somalia (98 %). Aber auch Länder mit geringerer Verbreitungsrate haben aufgrund ihrer hohen Bevölkerungszahl extrem hohe Opferzahlen. In Nigeria sind bei einer Verbreitungsrate von „nur“ 18 Prozent jedoch 19 Millionen Frauen betroffen.

SAIDA geht von weltweit über 264 Millionen Frauen und Mädchen aus, die mit den Folgen dieser schweren Misshandlung leben müssen. Die Vereinten Nationen schätzen, dass 2021 über 4 Millionen Mädchen Opfer dieser Gewalt werden (Quelle: Vereinte Nationen). Diese Zahl kann sich aufgrund der Corona-Pandemie noch erhöhen. Bis 2030 werden wohl 68 Millionen Mädchen der Verstümmelungsgefahr ausgesetzt sein.

Für die Betroffenen hat die Gewalt gravierende, oftmals lebenslange Folgen:

Akute körperliche Folgen sind z.B. extreme Schmerzen und unkontrollierbare Blutungen, die zu Schockzuständen und zum Tod führen können. Es kommt oft zu Wundstarrkrampf, Harnverhalt und Entzündungen. Festhalten, Schläge und Knebeln während der Tat führen häufig zu Knochenbrüchen.

Langfristige körperliche Folgen können z.B. Nervenschädigung, Zysten und Abszesse sein. Infektionen von Harnwegen, Gebärmutter und Eierstöcken verursachen nicht selten Unfruchtbarkeit. Werden auch Harnröhre und Darm verletzt, ist oft Inkontinenz die Folge. Es kommt häufig zu Problemen bei Geschlechtsverkehr, Menstruation, Schwangerschaft und Entbindung.

Psychologische Folgen treten in vielen Fällen in Form von Depressionen, Verhaltensstörungen, Angstreaktionen und sexuellen Störungen auf. Durch die erlebte Gewalt und Todesangst wird sehr oft ein schweres seelisches Trauma ausgelöst. Häufig leiden die Betroffenen unter Vertrauensverlust zu Bezugspersonen und Bindungsunfähigkeit. Verdrängung der Folgen, Ausweglosigkeit und sozialer Zwang führen dazu, dass die Praktik von Generation zu Generation weitergegeben wird.

Gefährdet sind Mädchen vom Säuglings- bis zum Erwachsenenalter. Die meisten Mädchen werden traditionell im Kindesalter genitalverstümmelt, häufig zwischen dem 4. und 12. Lebensjahr. In manchen Ländern aber verschiebt sich das typische Alter etwa durch neue Strafgesetze. Oft wird auch abgewartet, bis die Mädchen verstehen, dass sie über die Tat nicht sprechen dürfen. Hieraus ergibt sich eine Chance: Jugendliche können noch geschützt werden.

Präzises und konsequentes Handeln aller Beteiligten ist notwendig, um die Gefahr sicher abzuwenden.

Genitalverstümmlung ist ein erheblicher Grundrechtseingriff und die Gefahr so konkret, dass der Staat seine Schutzpflicht gegenüber den gefährdeten Kindern erfüllen muss. Verletzt werden die Grundrechte auf Menschenwürde, Leben und körperliche Unversehrtheit. Bei Genitalverstümmelung handelt es sich um eine einmalige schwere Misshandlung mit irreparablen Folgen für die Opfer.

Die Rechtslage ist in Deutschland seit 2013 eindeutig. Ein eigener Straftatbestand Genitalverstümmelung regelt, dass „mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr bestraft wird, wer die äußeren Genitalien einer weiblichen Person verstümmelt“ (§ 226a StGB). Doch das Entdeckungsrisiko ist bei diesem Gewaltverbrechen äußerst gering, da die Tat im Geheimen ausgeführt wird, die Spuren Außenstehenden verborgen bleiben und die geschädigten Mädchen schweigen, um ihre Familien nicht zu belasten. Bei SAIDA plädieren wir daher für eine Meldepflicht an Behörden nach französischem Vorbild sowie bundesweite Pflichtuntersuchungen für alle Kinder.

Wichtig ist, dass mehr Menschen gut informiert sind über die Gewaltform Genitalverstümmelung und diese Informationen auch weitergeben.

Fachkräfte in den Bereichen Bildung, Gesundheit, Ämtern und Behörden können durch ihr Fachwissen zum Schutz von Mädchen beitragen und eine spezialisierte Anlaufstelle wie SAIDA kontaktieren.

Fachkräfte in Einrichtungen der Geflüchtetenhilfe und in migrantischen Vereinen können Betroffene unterstützen, indem sie ihnen den Kontakt zu medizinischen und psychosozialen Hilfen vermitteln.

Zum Beispiel, dass es mit dem SAIDA Kompetenzzentrum am Leipziger Klinikum St. Georg eine multidisziplinäre Anlaufstelle für medizinische Fragen in Mitteldeutschland gibt.

Jede und jeder kann helfen und zum Beispiel eine Informationsveranstaltung organisieren. Für Anfragen zu Seminaren, Fortbildungen und Fachtagen wenden Sie sich gern an uns.